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  • AutorenbildWandermeile

Wetterwechsel


Wir starten früh am Morgen, bei strahlendem Sonnenschein. Der Wetterradar zeigt aber einen Wetterwechsel an und Regen ab Mittag wird vorausgesagt. Die Alp, wo wir mit einem Kaffee gerechnet haben, ist noch geschlossen. Schade, heute gehts also ohne Koffein über den Fimberpass mit 2609m.

Wir erreichen die Heidelbergerhütte noch bei Sonnenschein kurz nach Mittag. Im Laufe des Nachmittags ziehen aber schwarze Wolken auf und es wird regnerisch und kühl. Wir sind froh, dass wir uns für das Matrazenlager entschieden haben. Die Heidelbergerhütte steht auf Schweizerboden, gehört dem deutschen Alpenverein und wird von Österreicher geführt. Dies passt doch wunderbar zu unserer Grenzwanderung.

Das Wetter ist auch am nächsten Tag grau. Es nieselt und die Wolken hängen tief. Ausgerüstet mit Regenjacke und Regenhose steigen wir auf, gegen das Kronenjoch. Heute ist unsere Königsetappe. Mit 2972m der höchste Übergang der diesjährigen Tour. Wir steigen auf, von saftigen grünen Alpwiesen, über Schneefelder, durchs Geröll bis wir das Joch erreicht haben. Wir haben Glück, der Nebel lichtet sich und gibt faszinierende und spektakuläre Aussichten frei. Der Ausblick ins Jamtal erinnert mich an das isländische Hochland. Ein wildes, einsames Tal, mäandernde Bergbäche, Wasserfälle und all diese unglaubliche Szenerie garniert mit Schneefeldern. Ein erhabenes Gefühl, hier oben zu stehen, mit dem Nötigstem auf dem Rücken und aufgestiegen nur mit Muskelkraft. Mit dem Übergang erreichen wir Österreich.

In der Jamtalhütte quartieren wir uns wieder ins Matrazenlager ein mit der Hoffnung, dass Morgen das Wetter besser wird.

Doch am Morgen erwartet uns auch Niesel und Nebel. Wir fragen die Hüttenwartin wie der Übergang zur Bielerhöhe sei. Laufen kann man immer wenn man will, meint Sabine und notiert, dass wir los gehen werden.

Der Weg führt gleich steil der Bergflanke hoch. Das Gras hängt schwer und nass über den schmalen Pfad und dies führt nicht zu trockeneren Schuhen. Aber schwarze Molche scheinen das nasse Wetter zu geniessen, sehen wir doch Einige auf dem Weg. Hinter uns gehen drei junge Männer aus den Niederlanden mit Turnschuhen. Auch diese werden nasse Socken haben und auf dem felsigen und gerölligen Weg nicht wirklich das geeignete Schuhwerk.

Der Aufstieg auf die Getschnerscharte erweist sich als schwierig. Auf dieser Tour, der wohl beschwerlichste Übergang. Der Weg ist sehr steil mit ausgesetzten Stellen, losem Geröll und Restschneefeldern. Es gibt auch kurze Kletterpassagen zu überwinden. Im Aufstieg geht dies besser als beim Abstieg. Die drei Niederländer sind in einer steilen Passage direkt unter uns und ein los getretener Stein könnte schlimme Folgen haben. Wir lassen die drei jungen Männer ziehen und warten bis sie aus der heiklen Stelle weg sind bevor wir weitergehen. Wir erreichen den Passübergang und weit unten ist der Silvrettastausee mit unserem Tagesziel der Bielerhöhe zu sehen. Das erhabene Gefühl, die Getschnerscharte erreicht zu haben weicht beim steilen Abstieg in ein ächzen und quietschen der Kniescheiben. Täglich mehrere hundert Höhenmeter Abstieg ist eine ziemliche Belastung für die Gelenke. Aber es geht erstaunlich gut.

Angekommen auf der Bielerhöhe ist immer noch nicht Campingwetter und wir gönnen uns ein Hotelzimmer. Sogar die Sauna ist im Preis inbegriffen. So viel Luxus überfordert uns fast ein wenig. Der Abend scheint zu kurz um alle Möglichkeiten auszukosten. Wir duschen ausgiebig, waschen unsere Wanderkleider und trocknen sie im Trocknungsraum, dann gehts ab in die Sauna, Abendessen im Restaurant und danach geniessen wir das Bett mit flauschigen Duvets.

Das Wetter sei in den Bergen immer eine Überraschung sagte uns die Wirtin in Malghera in einer Berghütte in Italien. Recht hat sie. Anstatt eine Wetterbesserung, wie gemeldet, erwartet uns Regen und Kälte.

Wir warten bis Mittag und als das Wetter nicht aufklart, gehen wir auch heute in Regenkleider los. Der Weg ist sumpfig und voller Kuhfladen. Blaue Löcher im Himmel lassen Hoffnung aufkeimen, werden aber mit neuen Wolken wieder zerschlagen.

Etwas Gutes hat der Nebel und die eingeschränkte Sicht: Der Weg führt sehr ausgesetzt an einer Bergflanke entlang. Dank des Nebels ist das ganze Ausmass der Tiefe nicht ersichtlich und so kann keine Höhenangst aufkommen.

Gesund und munter erreichen wir die Tübingerhütte. Der Abend wird wolkenlos, jetzt endlich hat uns das schöne Wetter wieder gefunden.

Ah, und übrigens; ein Telefonat ins Medical Center nach Scuol lässt die Antibiotikatabletten im Rucksack bleiben. Kein Zeckenbiss, keine Borreliose. Gut so!


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