Die letzten Tage im Tessin sind geprägt von Superlativen: Super Aussicht, super nass, super steil, super Wind....
Alles der Reihe nach:
Von Cabbriolo reisen wir über Lugano auf Paese Brė. Als wir aus dem Bus steigen, donnert es und der Himmel ist ganz schwarz. Laut Regenradar soll uns diese Gewitterfront nur streifen, aber in einer Stunde wird uns die nächste Gewitterzelle erreichen. Wenn aber alles wie geplant abläuft, sind wir um die Zeit schon auf der Alpe Bolla imTrockenen.
Wir wandern los in Paese Brė und schwere Regentropfen fallen. Ich ziehe Regenkleider an, Hanspeter glaubt das Gewitter ziehe vorbei. Doch bald zieht auch er Regenhosen an und glaubt nicht mehr dran, trocken zu bleiben. Wir wandern fast zwei Stunden im strömenden Gewitterregen. Es blitzt und donnert und im Wald ist es dunkel und schwarz. Auf der Alpe Bolla essen wir Minestrone am Feuer und wärmen uns. Der Regen hat jetzt nachgelassen. Der Weiterweg zum Rifugio Pairolo ist spannend: Vorbei an den Kletterfelsen Denti della Vecchia mit spektakulären Tiefblicken.
Am anderen Morgen ist klares Wetter und von der Terasse des Refugios sehen wir das Monte Rosa Massiv. Heute wollen wir eine Kretenwanderung machen und Grenznah über Gipfel, Gräte und Eggen wandern. Leider windet der Nordföhn gegen Mittag so stark, dass wir kaum mehr vorwärts kommen. Im Refugio Gazzirola brechen wir unsere Wanderung ab. Das ist die letzte Übernachtungsmöglichkeit weit und breit und bei diesem starken Wind ist es nicht möglich zu campieren und auch das Überqueren der ausgesetzten Gräte finden wir gefährlich.
Am Abend wird es etwas windstiller und wir sitzen lange in der Abendsonne auf einem Felsen und bestaunen die Aussicht: Monte Rosa, Matterhorn, Berner Alpen, Lago Maggiore, Lago Lugano, Lago di Como, Poebene, Mon Viso, Apenin, laut Hüttenwart sehe man bis Rimini. Wir können uns kaum satt sehen.
Am anderen Tag hat der Wind etwas abgegeben und wir steigen hoch auf den Monte Gazzirola. Von da geht es weglos weiter. Manchmal gibt es Wegspuren, dann verlieren sie sich wieder. Es gibt felsige Passagen, wo wir die Hände zu Hilfe nehmen müssen, schmale Gräte, wo wir lieber nicht in die Tiefe schauen, immer wieder ein Abwägen, welches die ungefährlichste Wegführung ist, aber auch wieder angenehme Grasrücken zu überqueren. Eine abwechslungsreiche Wanderung mit atemraubendem Panorama.
Beim Refugio San Jorio dürfen wir campieren. Als wir da ankommen, findet vor dem Haus eine Messe statt. Später werden wir informiert, dass das Rifugio von christlichen Freiwilligen geführt wird und der Erlös nach Peru gespendet wird. In dieser Woche ist der Missionspriester zu Besuch auf dem Refugio. Auch am Morgen findet wieder eine Messe statt.
Der Abstieg nach Roveredo ist lang. Fast 2000 Höhenmeter gilt es zu vernichten. Die letzten 1000 Meter sind extrem steil. Der Wanderweg wird wahrscheinlich nicht mehr unterhalten und viele Bäume liegen über dem Weg. Die müssen wir überqueren, mühsam unten durch kriechen oder im steilen Gelände umgehen. Auch viele Äste, Steine und Laub liegen auf dem Weg, so dass wir nur langsam vorwäts kommen. Doch irgendwann sind wir unten im Tal in Roveredo, Graubünden.