Wandermeile
Obwaldner Höhenweg 1. Teil
Eine Woche Ferien, alleine. Ich gehe wandern. Das kann ich auch gut alleine. Rucksack ist gepackt, Route ist festgelegt und ich reise von Luzern bis nach Grafenort im Engelbergertal. Ein kurzer Blick auf die Karte und ich laufe los, Richtung Mettlen, wo ich mit einer Seilbahn bis nach Eggen fahren will. Ich marschiere zielstrebig los, bis ich merke, dass ich nicht Richtung Mettlen unterwegs bin, sondern auf der falschen Talseite in die falsche Richtung stabe. Wie wird das werden, wenn ich schon die ersten fünf Minuten auf meiner Alleinwanderung falsch gehe? Ich kehre um, finde bald den richtigen Weg auf der anderen Talseite und komme so nach kurzer Zeit zur Talstation der Seilbahn. Es gibt ein Telefon, mit dem kann bei Familie Töngi die Fahrt angemeldet werden. Nach mehrmaligem Klingeln, meldet sich eine Frauenstimme, die mir sagt, dass ich schnell einsteigen solle und die Türe schliessen. Gesagt, getan und die Bahn schwebt mit mir bergwärts. Oben angekommen steige ich aus, und da begrüsst mich Frau Töngi. Ich zahle die neun Franken für die Fahrt und die nächste Bahn steht bereit um noch weiter hoch zu fahren. Ich solle oben die Türe wieder schliessen, gibt mir Frau Töngi mit auf den Weg und schon schwebe ich weiter bergwärts. Oben angekommen, nachdem ich die Tür der Kabine geschlossen habe, mache ich mich parat für die Wanderung. Hosen auf kurz wechseln, Sonnencreme einstreichen, Sonnenbrille montieren und als ich mich wandertauglich mache, kommt ein Mann zum Plaudern. Er sei die ganze Woche da oben im Jagdhaus mit seinen zwei Söhnen. Heute haben sie eine Gämse geschossen und morgen gehe er auf Murmeltierjagd. Hoffentlich nicht auf Wandererjagd.
Ich starte Richtung Storeggpass. Bald schon muss ich eine Weide mit vielen Rindern passieren. Sie stehen auf dem Wanderweg, neben dem Weg, vor dem Weg und hinter dem Weg. Ich bin froh, dass ich keine Angst habe vor diesen Viechern. Das Muhen begleitet mich noch länger. Oben auf dem Storeggpass geniesse ich die Aussicht auf das Engelbergertal, auf die umliegenden grünen Hügel, schroffe Felsspitzen und verschneite Berggipfel.
Es folgen lange Abstiege durch sumpfige Weiden mit tiefen, von Kühen ausgetretenen Löchern. Es braucht etwas Konzentration damit ich mir die Füsse nicht vertrete und komme nur langsam vorwärts. In ständigem Auf und Ab laufe ich hoch oberhalb des Melchtals Richtung Stöckalp und steige dann auf die Melchsee Frutt. Meine Beine sind so was von müde und nur mit letzter Kraft erreiche ich die Frutt. Es gibt aber noch keine Pause, muss ich doch vor Ladenschluss meine Einkäufe für den nächsten Tag erledigen. Als dies auch geschafft ist, geniesse ich auf der sonnigen Terrasse eines Restaurants einen Kaffee und später ein vegetarisches Herbstteller. Die Sonne ist schon hinter den Bergen verschwunden, als ich nochmals meinen Rucksack schultere und zum Blauseeli wandere. Da will ich die Nacht verbringen und suche mir einen geeigneten Platz für mein Zelt. Es ist still am See, kein Mensch zu sehen und bald schon finde ich ein flaches Grasplätzli zum campieren. Ich konnte das Zelt von Svenja, unserer Tochter, mitnehmen, da dies nur halb so schwer ist wie unser Zelt. Daheim habe ich das Aufstellen geübt und dies klappt auch da wunderbar. Bald schon wird es finster und ich verziehe mich in mein kleines Haus.
Ich schlafe wunderbar und am morgen weckt mich schon die Sonne. Herrlich! Der See ist spiegelglatt und das Sonnenlicht zaubert eine schöne Stimmung. Ein klarer, wunderschöner Morgen. Das Aufstehen fällt mir leicht und ich freue mich auf meinen zweiten Wandertag. Ich brauche mehr als eine Stunde bis ich gefrühstückt habe, aufgeräumt, eingepackt und wieder wanderfertig bin. Mein Weg führt bergauf, hoch zum Abgschütz. Was für eine spektakuläre Aussicht steil runter auf den Seefeldsee und die Älggialp, den geografischen Mittelpunkt der Schweiz. Auch hier oben wäre ein schöner Platz zum campieren. Aber gestern Abend hätte mir die Energie gefehlt für den Aufstieg.
Der Abstieg von Abgschütz runter ins Melchtal braucht Trittsicherheit und Schwindelfreiheit. Steil führt der Weg runter, zuerst durch Grashänge und dann immer steiler durch ein Felsband. Der Weg ist mit Ketten gesichert, es sind Stahltritte im Fels eingehauen, aber für meine kurzen Beine etwas zu weit auseinander. Da in diesem Couloir immer Wasser läuf,t sind die Steine und Felsen rutschig. Ich brauche viel Zeit für den Abstieg. Ich laufe konzentriert und vorsichtig, mit dem Bewusstsein, dass ich ganz alleine unterwegs bin und nichts passieren darf. Es geht alles gut und der weitere Abstieg über Kuhweiden ist etwas entspannter. Es ist ein langer Abstieg und ich bin froh, als ich bei der Rainhütte den tiefsten Punkt erreicht habe und wieder ein langer Aufstieg folgt. Die Sennhütten sind da oben schon auf Winter eingestellt, die Fensterläden geschlossen und das Vieh nicht mehr auf der Alp. Es wirkt etwas still und verlassen. Interessant ist auch, dass ich an beiden Tagen noch keinem anderen Wanderer begegnet bin.
Bald schon geniesse ich schöne Tiefblicke auf den Lungernsee und schneller als erwartet erreiche ich das Naturfreundehaus auf dem Brünig. Da gönne ich mir ein Zimmer und werde von Silvia, der Hüttenwartin fein bekocht. Ich bin der einzige Gast im Haus und Silvia und ich unterhalten uns gut. Silvia kennt viele Geschichten von ihren Gästen, wird das Haus doch von Schulen wie auch als Pilgerherberge des Jakobweges genutzt. Es wird ein kalter Abend und ich bin froh um das wärmende Feuer des Schwedenofens.
